Die Neue Sachlichkeit: Ein Programm, das Mannheim feiert

Johan Holten, Direktor der Kunsthalle Mannheim
„Die Neue Sachlichkeit“ – ein Highlight für die Stadt mit einem spannenden Programm.

Holten: Ich habe mich natürlich inzwischen intensiv mit der Zeit beschäftigt und Facetten gesehen, die ich vorher so nicht kannte. Die 20er waren eine brüchige Zeit, politisch instabil, mit der drohenden Inflation, den vielen krassen Umbrüchen, der gefühlten Schmach in Deutschland über den Versailler Friedensvertrag. Das zeigt sich für mich auch darin, dass der Leiter der Kunsthalle Gustav F. Hartlaub die Ausstellung mit Werken der „Neuen Sachlichkeit“ eigentlich 1923 zeigen wollte, und dann erst 1925 realisieren konnte.

Otto Dix: Die Irrsinnige, 1925 © VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Kunsthalle Mannheim. Foto: Kunsthalle Mannheim
George Grosz: Porträt des Schriftstellers Max Hermann-Neiße, 1925 © Estate of George Grosz, Princeton, N.J./VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas
Otto Dix: Bildnis der Tänzerin Anita Berber, 1925, Sammlung LBBW im Kunstmuseum Stuttgart © VG Bild-Kunst, Bonn 2024. Foto: bpk / Kunstmuseum Stuttgart / Frank Kleinbach

Holten: Ja das ist sie tatsächlich. Hartlaub setzte den Begriff in die Welt, um den neuen Ausdruck in der Kunst mit präzisen Strichen, pointierten Konturen und dem Blick, weg vom magischen Sehen hin zum sozialen Sehen, zu beschreiben. Allerdings wusste er damals noch nicht, dass „Neue Sachlichkeit“ später von vielen Künstlern, in der Musik, in der Architektur, in der Literatur und vor allem auch international verwendet wurde.

Holten: Ausgangspunkt ist natürlich die Ausstellung, die für die Kuratorin, Dr. Inge Herold, und unser Team sehr arbeitsintensiv war: „Die Neue Sachlichkeit – Ein Jahrhundertjubiläum“ in der Kunsthalle Mannheim. Sie wird am 21. November eröffnet. Wir werden 230 Werke zeigen. Enthalten sind viele Leihgaben aus aller Welt, aber auch Werke der Kunsthalle. Zwei davon gehörten einst der Kunsthalle, gingen dann im Nationalsozialismus dem Museum durch Beschlagnahmung verloren und kehren jetzt wieder temporär zurück. Zudem können wir als Beispiele internationaler Kunst Werke aus den USA von Edward Hopper und Georgia O’Keeffe zeigen.

Lotte Laserstein: Russisches Mädchen mit Puderdose, 1928, Frankfurt am Main, Städel Museum © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: bpk / Städel Museum
Arno Henschel: Dame mit Maske, 1928, Kulturhistorische Museen Görlitz, Foto: Görlitzer Sammlungen

Holten: Wie eingangs gesagt, beschäftigen wir uns nicht nur mit den faszinierenden Seiten der „Neuen Sachlichkeit“. Wir zeigen auch, wie sich Maler im Nationalsozialismus angepasst haben oder eben auch Deutschland verließen. Ein anderes Kapitel widmen wir den Künstlerinnen der „Neuen Sachlichkeit“, die 1925 bei der ersten Ausstellung schlichtweg nicht vorkamen, wie zum Beispiel Lotte Laserstein oder Anita Rée. Wir zeigen Originale wieder entdeckter Malerinnen der 1920er-Jahre.

Im Altbau der Kunsthalle wagen wir ein Experiment und werden mit digitalen Bildern die Geschichte der vielen verlorengegangenen Bilder emotional vermitteln.

George Grosz: Tischgespräch, 1929, © Estate of George Grosz, Princeton, N.J. / VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Kunsthalle Mannheim/Cem Yücetas;
Auch das Bild rechts ist bereits zu sehen in der im September eröffneten Ausstellung der Kunsthalle hart & direkt. Zeichnung und Grafik der Neuen Sachlichkeit
Karl Hubbuch: Die Schwimmerin von Köln, 1924/1925, © Karl Hubbuch Stiftung/Städtische Galerie Karlsruhe 2024, Foto: Kunsthalle Mannheim/Cem Yücetas

Holten: Ja, das ist es auf jeden Fall. Es ist nicht schwer für die Gäste, mit dabei zu sein. Es ist bemerkenswert, wie schnell Viele das Thema aufgegriffen haben, angefangen von den Reiss-Engelhorn-Museen, dem Nationaltheater, dem Capitol, der Abendakademie oder dem Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache bis hin zum Marchivum oder dem Verein Industrie-Kultur-Rhein-Neckar e.V. das Thema aufgegriffen haben und über die gesamte Dauer der Hauptausstellung Führungen, Vorträge, Ausstellungen, Konzerte, Partys oder Lesungen anbieten, die sich mit der „Neuen Sachlichkeit“ beschäftigen. Es ist ein tolles und wirklich vielfältiges Programm, und wir wollen alle einladen.
Das Dabeisein ist auch ein Bekenntnis zu Mannheim. Wir wünschen uns natürlich eine große Reichweite und weitere Menschen, die wie unsere Mitorganisator*innen und die Partnernetzwerksmitglieder von Stadtmarketing und Engelhorn die Werbetrommel rühren.

Anita Rée: Halbakt vor Feigenkaktus, 1922-1925 © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Elke Walford
Georg Scholz: Selbstbildnis vor der Litfaßsäule, 1926 © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Holten: Zum einen, dass wir mit ganz, ganz vielen Menschen Mannheim und seine Geschichte feiern. Viele Gruppenführungen sind bereits gebucht. Es ist auch mein Wunsch, dass solch ein Programm zum Nachdenken anregt. Dafür eignen sich die 1920er-Jahre ganz besonders. Wir wollen feiern und mit unserem spannende Parallelen aufweisen.

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Informationen zum Programm gibt es hier www.1920er.art